„Wenn bloß diese dauernden Unterbrechungen nicht wären…..“
Diesem Stoßseufzer begegne ich in Unternehmen sehr häufig.
Ganz egal, ob Telefone, Vorgesetzte, allgemeine Arbeitsverdichtung…Multitasking-Anforderungen, wohin ich auch höre und schaue.
Das meiste, was „rausreißt“, wird als Belastung empfunden.
Und „reißen“ hat durchaus eine gewaltvolle Komponente.
Wir wissen außerdem, dass bei Multitasking die Ablenkung einprogrammiert ist. Das eine lenkt auf das andere lenkt auf das Dritte lenkt auf das (Un-)Wichtige lenkt auf …..

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Da erzählen uns die US-Wissenschaftler Csikszentmihalyi/ LeFevre nichts Neues. Durch deren messen, wiegen und zählen haben wir es nun schriftlich: Menschen, die man sich auf die Arbeit konzentrieren lässt, sind zufriedener. Gemeint ist: auf eine Aufgabe zur Zeit. Ausreichende Zeit wohlgemerkt. Überrascht das irgendjemanden?
Unzufrieden zu sein, mit der Qualität der abgelieferten Arbeit, obwohl man weiß, da wäre Besseres drin gewesen, führt zu einem Kuriosum: Einerseits fühlen wir uns latent unterfordert (wir bleiben hinter unseren Möglichkeiten zurück) bei gleichzeitigem Überforderungsgefühl durch die Menge der Arbeit.
Zudem ist es ein alter (psychologischer ) Hut, dass wir uns selbst entwertet fühlen, wenn es egal ist, ob ich eine Sache wirklich gut gemacht habe oder nicht. Und das Ergebnis selbst verliert ebenfalls an Bedeutung. Stattdessen: Hauptsache viel, Hauptsache schnell.
Im allgemeinen wollen die Menschen die Dinge/die Arbeiten „gut“ machen. Dies ist keinesfalls ein Loblied auf Perfektion. Ganz im Gegenteil. Etwas in der Tiefe „richtig“ machen zu können, bedeutet nicht, sich in Perfektion zu verlieren.
Gleichwohl steht die Forderung im Raum: Lasst uns doch mal in Ruhe etwas zu Ende bringen! „Bringen“ – wir wollen ja: uns einsetzen, einbringen, reinknien…
Natürlich gibt es die Auswüchse nach rechts und links: Das Peter-Prinzip z. B. (besagt, dass eine Arbeit genau so lange dauert, wie Zeit zur Verfügung gestellt wird) und ja, ich kann mich auch an Arbeiten festhalten und mir versuchen, einen lauen Lenz zu machen. Und ja, die Welt ist komplex. Aber offen gesagt, schafft mich diese Komplexität langsam…. Nicht alles lässt sich mit Komplexität erklären, entschuldigen, gar alternativlos sein.
Einerseits stürzt sich die Werbung darauf, alles mit (angeblichem) Qualitätssiegel zu verkaufen. Dabei erfährt jeder von uns ein ums andere Mal, dass es mit der versprochenen Qualität nicht weit her ist. Wie auch, wenn time dauernd money ist. Schade, wir hatten in Deutschland gute Voraussetzungen. Made in Germany galt etwas. Doch kaum habe ich das ausgesprochen, kommt schon die Globalisierungskeule.
Ich hege die Überzeugung, dass die meisten Menschen eine Sehnsucht nach Qualität in sich tragen. Eine Sehnsucht, selbst Qualität erbracht zu haben: Durchdachtes, Abgerundetes, „Hand und Fuß“ soll das haben, was wir tun. Die Menschen wollen sich konzentrieren, einlassen.
Sie bedürfen dem tiefen Zufriedenheitsgefühl, etwas „anständig“ zu Ende gebracht zu haben. Sich selbst und einer Aufgabe „gerecht“ geworden zu sein. Gerecht gilt in diesem Fall für beide Seiten. Wir empfinden es als ungerecht, wenn nur die Aufgabe bekommt, was sie braucht, nämlich so schnell wie möglich erledigt worden zu sein. Wie soll da Zufriedenheitsgefühl entstehen? Wir sollen doch gesund bleiben, arbeitsfähig, leistungstauglich and ever, ever motiviert. Ja, manchmal macht es richtig Spaß, z. B. wenn einem die Dinge gut von der Hand gehen – bei gleichzeitigem Gefühl von erbrachter Qualität.
Der Kapitalismus – um es jetzt mal auf diesen Nenner zu bringen – weigert sich allerdings in hohem Maße, den Menschen und seine Natur anzuerkennen. All das psychologische Wissen, was seit vielen Jahrzehnten vorhanden ist, wird in weiten Teilen ignoriert, belächelt, abgewertet oder gar bekämpft. All die genetischen Stempel aus den Urzeiten (z.B. Flucht/Kampf-Reflex hat Stressrelevanz) werden machtvoll(!) beiseite gewischt.
Bei einer Sache zu bleiben, bedeutet auch, Nähe herzustellen. Eine Beziehung. So entsteht Verantwortungsgefühl! Nur so sind mir die Dinge/Arbeiten nicht egal.
Doch unsere Arbeitswelt (bzw. die dafür Verantwortlichen) will gewaschen werden, ohne sich nass machen zu lassen. Sie will unser Verantwortungsgefühl für zu erledigende Arbeiten, aber sie schafft weder den Rahmen noch nimmt sie die menschliche Natur ernst. Ein vielschichtiges Thema.
Und doch ist es das, was zu beklagen ist: Wenn mein ganzes (Arbeits-)Leben von Schnelligkeit und Multitasking durchzogen ist, verlieren die Dinge/die Arbeit an Wert. Eben weil es egal zu sein scheint. Kommt nicht mehr drauf an. Kümmert ja niemanden. Hauptsache….
Wenn es einfach niemanden mehr interessiert, ob irgendetwas Qualität hat, insbesondere im Hinblick auf das, was ich mache und vor allem wie ich es mache und wie ich mich dabei fühle, dann braucht sich keiner über das Ergebnis zu wundern. Am Ende fühlt sich niemand mehr für irgendetwas oder gar irgendwen zuständig, denn der Mensch kann nicht unendlich aus sich selbst schöpfen, während die Umwelt ihn unentwegt zur Ader lässt.
Denn natürlich hängt das alles miteinander zusammen und berührt unsere gesamte gesellschaftliche Verfassung: Die Verwahrlosung auf den verschiedensten Ebenen (von Kindern, von Orten, von Wohnungen, von Sprache). Die Hemmschwellen sinken und sinken, ob beim Diebstahl, dem Einsatz von körperlicher Gewalt, Vandalismus oder Zerstörungswut. Wundern wir uns tatsächlich über die mangelnde Herzenswärme vieler Menschen, während die Verflachung intellektueller Ansprüche sich wie Schwamm ausbreitet?
Anstand fällt nicht vom Himmel! Er braucht Vorbild, Pflege und Anerkennung. Und er braucht Zeit! Dasselbe gilt für Herzensbildung. Sie entsteht dadurch, dass sich Menschen Zeit für Nähe nehmen! Und gesunde Selbstliebe bedarf ebenfalls der Zeit. Den eigenen Brunnen ausreichend zu füllen, dafür brauchen wir ZEIT.
Raube dem Menschen all seine Zeit und er verkommt zum Zerrbild seiner Möglichkeiten. Samt den dazugehörigen Konsequenzen.
Es muss deshalb – im besten Sinne – dringend wieder mehr Ruhe ins Arbeitsleben. Von dort ertönen die Signale, die unseren gesamten Lebenstakt infiltrieren. Ich bin der festen Überzeugung, dass es ein Trugschluss ist, zu glauben, mit mehr Ruhe würden wir wirtschaftlich zurückfallen. Die Frage bleibt außerdem, wie hier das Zurück zu definieren ist.
Nicht zuletzt ist Sehnsucht ein Tropfen, der Steine höhlt. Und damit nicht zu unterschätzen!
Beherzte Grüße
ad
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